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Ramon Tikaram in Gaddafi: A Living Myth |
Tunesien, Aegypten, Libyen…nun, meine Kinder, eins dieser drei Dinge ist anders als die anderen. Welches wohl? Richtig! Libyen wurde nicht und wird zu einem beträchtlichen Teil immer noch nicht von einem Diktator regiert, der ein Handlanger des Westens ist. Man kann über ihn sagen, was man will, Muhammar Gaddafi ist ein Phänomen. Im Kontrast zu seiner unvergleichlichen, grellen Persönlichkeit sind Tunesiens Zia El Abidine ben Ali und Aegyptens teuflisch dicker Hosni Mubarak schlicht Nullen.
Sicher, alle drei sind Diktatoren. Aber man braucht sich die Region nur mal anzuschauen und zu fragen wer kein Diktator ist. Sogar der römische Senat wählte in schwierigen Zeiten einen Diktator. Und wann gab es keine schwierigen Zeiten in dieser Region? Gaddafi meidet die Idee des Nationalstaats, von arabischem Nationalismus und repräsentativer Demokratie. Er verbietet sogar politische Parteien. Er ist ein Stammesfürst. Er unterstützt islamischen Sozialismus und seine Vorstellung von Demokratie ist die von Stammesführern, welche mit Bitten und Klagen zu ihm kommen, so dass er in seiner Grosszügigkeit Gerechtigkeit walten lassen kann. Er sieht sich als eine Art König. Ein König der Könige. Er mag alle Arten von afrikanischen Stämmen, nicht nur arabische; er ist sehr angetan von afrikanischer Einheit angesichts der westlichen Unterdrückung. Ihn würde es wahrscheinlich nicht stören, sie alle anzuführen. Er ist offensichtlich ein Grüner.
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Versteckt er sich vor der Flagge? |
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Zia schwört, für immer im Amt zu bleiben. |
Es ist eher ungewöhnlich für eine Demokratie (im legalistisch westlichen Sinne) Erfolg zu haben, wenn die Mägen leer sind. Man erwartet eher einen oder zwei Hitlerputschs, eine Kristallnacht und vielleicht einen brennenden Reichstag. Gaddafis sozialistisch-islamischer Stammeskult könnte erfolgreich sein, wenn weitere Nationalstaaten zusammenbrechen, wenn nationale Grenzen sich auflösen und inter-ethnische Konflikte und provisorische Bündnisse die so hübsch und gerade gezogenen Linien der westlichen Kolonialherren ausradieren. Aus all diesen Gründen muss, nach westlicher Logik, Gaddafi abgesetzt werden. Die Frage ist: kann der Westen der Situation noch gerecht werden oder ist er innerlich zu zerstritten, senil und erschöpft? Wir werden es bald wissen. Ich glaube nicht, dass es die Ungewissheit lange dauert. Die libyschen Wirrnisse allein haben die Ölpreise über den Schwellenwert gedrückt, den die Internationale Energieagentur kürzlich als den Schwellenwert bezeichnet hat, jenseits dessen westliche Volkswirtschaften zusammenbrechen. Das geschieht, wenn der Aufwand für Öl 5% des BIP überschreitet. (Diese Idee kommt übrigens ursprünglich von François Cellier, der sie brauchte, um die Finanzkrise von 2008 zu erklären. Die Mühlen der intenationalen Agenturen mahlen langsam.) Dieser Prozess des Zusammenbruchs wird alle verbliebenen Energien in den westlichen Ländern (physische als auch mentale) nach innen umlenken, um eine innere Revolte zu verhindern oder einzuschränken, ohne irgendwelche Reserven für Abenteuer in Libyen oder sonstwo in der Welt übrig zu haben.
Für eine Weile noch werden wir die Welt auf einer Reihe von modischen, kleinen, elektronischen Geräten brennen sehen. Aber früher als man vielleicht erwartet, werden die Tweets und die Videos versiegen und die Bildschirme schwarz bleiben, so wie es in Libyen bereits geschah. Ja, unvorstellbares Grauen ist unterwegs und man kann nichts das geringste dagegen tun. Man ist wohl für sich und die eigene Familie am besten dran, wenn man den Rat von Voltaires Candide befolgt und seinen eigenen Garten kultiviert. Ich bin kein religiöser Mensch, aber manchmal zitiere ich gerne einen Evangelisten (oder in diesem Fall zwei – Matthias 8:22 und Lukas 9:60) « …lass die Toten die Toten begraben. »